Die großen Streitfragen im Umgang mit Geld – und was Du daraus lernen kannst

Wenn Du regelmäßig auf geldbaum.org vorbeischaust, weißt Du, dass Finanzen weit mehr sind als bloße Mathematik. Sie berühren unsere Werte, unsere Träume – und manchmal auch unsere tiefsten Überzeugungen.

Heute nehmen wir uns drei besonders hitzige Debatten aus der Welt der persönlichen Finanzen vor:

  1. Mieten oder kaufen – was lohnt sich langfristig wirklich?
  2. Dividendenliebe oder Total-Return-Denken – was ist sinnvoller?
  3. FIRE – Weg in die Freiheit oder falsches Versprechen?

Was diese Themen verbindet? Viele Menschen machen sie zu einem Teil ihrer Identität – und das macht Diskussionen emotional, oft irrational. Aber genau hier liegt die Chance für Dich: Wenn Du bereit bist, kritisch hinzusehen, kannst Du bessere finanzielle Entscheidungen treffen.


🏠 Mieten oder kaufen – Wo wohnst Du: Im Haus oder im Kopf?

Vielleicht hast Du es auch schon gehört: „Nur Eigentum ist echte Sicherheit.“ Oder: „Miete ist rausgeschmissenes Geld.“ Diese Sprüche sind tief verwurzelt – aber sind sie auch richtig?

Die Mathematik dahinter

Wenn Du eine Immobilie kaufst, zahlst Du nicht nur den Kaufpreis. Du hast Instandhaltungskosten, Grundsteuer, Zinsen, und vor allem: verzichtest auf Rendite, die Du mit dem gebundenen Eigenkapital anders hättest erzielen können – etwa mit ETFs.

Eine oft zitierte Studie der Bundesbank zeigt: Zwischen 2008 und 2018 lagen die durchschnittlichen jährlichen Wohnrenditen (nach Kosten) in deutschen Großstädten bei ca. 2,5–3 % – deutlich unter den langfristigen Renditen globaler Aktienmärkte von ca. 6–7 % p.a. (nach Inflation).

👉 Wenn Du die Differenz investierst, kann Mieten langfristig sogar lukrativer sein.

Der psychologische Faktor

In vielen Kulturen gilt Eigentum als Zeichen von Erfolg. Eine US-Studie (Saiz & Wachter, 2021) zeigt: Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern mit hoher Eigentumsquote neigen auch in den USA stark zum Kauf – selbst bei schlechter Datenlage.

Und was passiert, wenn jemand sich selbst als „Hausbesitzer“ sieht? Dann werden Argumente für’s Mieten nicht nur hinterfragt – sie werden als Angriff auf das eigene Selbstbild empfunden. Das macht die Debatte so hitzig.

Beispiel: Jana, 32, aus München

Jana hat ein gutes Einkommen, aber keine Erbschaft. Eine 3-Zimmer-Wohnung würde sie rund 950.000 € kosten – 250.000 € Eigenkapital müsste sie aufbringen. Stattdessen mietet sie für 1.750 €/Monat – und investiert jährlich 20.000 € in ETFs.

Ergebnis nach 15 Jahren:

  • Immobilie: Zins- und Tilgungszahlung, Instandhaltung und Risiken
  • Jana: rund 465.000 € ETF-Vermögen (bei 6 % Rendite)

Fazit: Für Jana war das Mieten – unter rationaler Betrachtung – deutlich besser.


📈 Dividendeninvestments – die beruhigende Illusion?

Dividenden wirken wie ein Geschenk. Geld, das „von selbst“ aufs Konto fließt. Kein Wunder, dass es ganze Online-Communities gibt (z. B. Reddit „r/dividends“) mit Millionen von Mitgliedern, die diesen Ansatz feiern.

Aber: Was fühlt sich gut an – und was ist rational richtig?

Der große Irrtum

Wirtschaftlich betrachtet ist eine Dividende keine Belohnung – sondern eine Umbuchung. Der Aktienkurs fällt exakt um die Höhe der Ausschüttung. Du bist also nicht „reicher“, nur liquider.

Schon 1961 zeigten die Nobelpreisträger Modigliani & Miller, dass die Dividendenpolitik eines Unternehmens keinen Einfluss auf dessen Gesamtwert hat – in einer idealisierten, steuerfreien Welt.

Und in der Realität? Da sind Dividenden sogar steuerlich oft unvorteilhaft, weil Kursgewinne gezielter realisiert werden können – und z. B. in Deutschland bei Altbeständen steuerfrei sein können.

Was Anleger trotzdem begeistert

Viele fühlen sich bei Dividenden sicherer, weil sie das Gefühl haben: „Ich muss nichts verkaufen – ich bekomme Geld.“ Diese sogenannte „Free-Dividends-Fallacy“ wurde in einer Studie 2019 nachgewiesen: Anleger behandeln Dividenden wie „geschenktes Geld“, obwohl sie faktisch nichts anderes sind als Teilverkäufe.

👉 Psychologisch kann das helfen, besonders in der Entnahmephase im Ruhestand. Aber: Es ist keine Überrendite – es ist eine andere Form der Liquiditätsbeschaffung.

Beispiel: ETF vs. Dividendenportfolio

Ein ETF auf den MSCI World erzielt über 20 Jahre rund 6–7 % p.a. Rendite – egal ob mit oder ohne Dividenden, solange reinvestiert wird.

Ein reines Dividendenportfolio schränkt die Auswahl auf bestimmte Sektoren (Versorger, Banken, etc.) ein, ist weniger diversifiziert und häufig steuerlich schlechter gestellt.

Fazit: Dividenden sind okay – wenn Du die psychologischen Effekte brauchst. Aber sei Dir bewusst: Du zahlst möglicherweise mit Rendite und Steueroptimierung dafür.


🔥 FIRE – Freiheit durch Verzicht oder Lebenslüge?

FIRE steht für Financial Independence, Retire Early – ein Trend, bei dem Menschen extrem viel sparen (teils über 50 % des Einkommens), um mit 40 oder früher finanziell frei zu sein.

Klingt nach Traum. Ist aber umstritten.

Die Idee hinter FIRE

FIRE basiert auf einer simplen Formel: Wenn Du 25x Deine jährlichen Ausgaben angespart hast, kannst Du theoretisch mit einer 4 %-Entnahmerate ewig davon leben.

Diese sogenannte 4 %-Regel basiert auf einer US-Studie („Trinity Study“, 1998), die 30-jährige Rentenzeiträume betrachtet – mit US-Daten, in einem der erfolgreichsten Aktienmärkte der Welt.

Doch:

  • Wer mit 40 in Rente geht, braucht Geld für 50 Jahre – oder mehr.
  • Internationale Studien (z. B. Pfau, 2010) zeigen: In vielen Ländern liegt die sichere Entnahmerate bei 2,5–3 %.

Die Schattenseite von FIRE

  • Viele FIRE-Anhänger verzichten radikal: keine Urlaube, alte Autos, kein Genuss.
  • Sie arbeiten Jobs, die sie nicht mögen – um „früh raus“ zu können.
  • Wenn sie das Ziel erreicht haben, fehlt oft Struktur, Sinn, sozialer Kontakt.

Laut dem PERMA-Modell für Glück (Seligman, 2011) braucht der Mensch:

  • Positives Erleben
  • Engagement
  • Beziehungen
  • Sinn
  • Leistung

Viele finden das im Beruf. Wer mit 38 „aussteigt“, verliert diese Quellen oft – und muss sie mühsam neu aufbauen.

Beispiel: Thomas, 39, „Fat-FIRE“

Thomas war Unternehmensberater, hat 10 Jahre lang 60 % seines Einkommens gespart und lebt heute von einem ETF-Portfolio (ca. 1 Mio. €). Finanziell unabhängig – aber nach wenigen Jahren in „Rente“ sucht er neue Aufgaben: Gründet ein Bildungsprojekt, arbeitet wieder – diesmal mit Sinn.

Fazit: FIRE funktioniert – aber nur, wenn Du den Weg genießt, und weißt, was Du nach dem Ziel willst.


🎯 Persönlich – aber nicht beliebig

Am Ende ist „persönliche“ Finanzplanung genau das: persönlich. Aber nicht willkürlich.

Es ist in Ordnung,

  • ein Haus zu kaufen – aber nicht aus Zwang.
  • Dividenden zu lieben – aber nicht aus Unwissen.
  • FIRE anzustreben – aber nicht als Flucht aus dem Leben.

Wenn Du Deine Entscheidungen bewusst triffst, bist Du auf einem guten Weg – ganz gleich, welchen.


✅ 5 Fragen, die Du Dir stellen solltest

  1. Würde ich auch kaufen, wenn alle um mich herum mieten würden?
  2. Brauche ich Dividenden – oder nur Sicherheit und Struktur?
  3. Will ich wirklich in 10 Jahren nicht mehr arbeiten – oder nur anders?
  4. Welche Risiken blende ich gerade aus, um „recht zu behalten“?
  5. Würde ich meine Entscheidung einem guten Freund so empfehlen?

Dein nächster Schritt?

💬 Schreib in die Kommentare: Welche dieser Streitfragen beschäftigt Dich am meisten? Hast Du Deine Meinung in einem Bereich schon mal geändert?

Und wenn Du tiefer einsteigen willst, lass es mich wissen – ich bereite gerne eigene Artikel zu FIRE-Strategien, ETF-Entnahmeplänen oder Immobilienrechnern vor.

Bis dahin: Triff Deine Entscheidungen klug – und bleib neugierig.

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